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Man darf von Schubert auch mal irritiert sein

03.07.2018 | MAIN POST
BAD KISSINGEN Eigentlich hätte Behzod Abduraimow schon 2011 beim Kissinger Sommer ein Konzert geben sollen. Das hat nicht geklappt. Aber jetzt war er da.

Pianist Behzod Abduraimov und seine jungen Mitspieler aus der Russisch-deutschen Orchesterakademie, einer Gründung Valeri Gergievs, beim Konzert "Symphonische Friedensbotschaft".  Foto: Gerhild Ahnert
Pianist Behzod Abduraimov und seine jungen Mitspieler aus der Russisch-deutschen Orchesterakademie, einer Gründung Valeri Gergievs, beim Konzert "Symphonische Friedensbotschaft". Foto: Gerhild Ahnert

Pianist Behzod Abduraimov und seine jungen Mitspieler aus der Russisch-deutschen Orchesterakademie, einer Gründung Valeri Gergievs, beim Konzert "Symphonische Friedensbotschaft". Foto: Gerhild Ahnert

Manchmal dauert es länger: Als der 20-jährige Behzod Abduraimow den Kissinger KlavierOlymp 2010 gewann, wäre sein Preis ein Konzert beim Kissinger Sommer 2011 gewesen. Er konnte sich den Flug zum Festival nicht leisten, weil er in USA studierte. Jetzt ist er hier angekommen, spielt in den Konzerthäusern Europas. Und er hat einen berühmten Mentor, Valery Gergiev, seit 2015 Chefdirigent der Münchner Philharmoniker ; seit 1996 Intendant des Mariinsky-Theaters in St. Petersburg. 2013 gründete der die Russisch-deutsche Orchesterakademie für junge Musiker aus beiden Ländern, die sich 2017 beim Kissinger Sommer vorstellten. In diesem Jahr sollte das Große Orchester der Akademie unter Gergievs Leitung im Max-Littmann-Saal spielen; doch musste er das Dirigat an den mit der Arbeit der Akademie vertrauten Alexander Sladkowsky abgeben. Gergievs berühmter Name hätte den jungen, bestens vorbereiteten und hochmotivierten Elite-Musikern der Akademie trotz "Schicksalsspiel der deutschen Fußballelf" wohl ein volles Haus beschert.

Für den Solopart in Sergei Rachmaninovs 2. Klavierkonzert (c-moll) brachten die jungen Musiker Behzod Abduraimow mit, der so doch noch zu seinem Siegerkonzert im Max-Littmann-Saal kam. Dass er und das Orchester sich gut kennen, zeigte sich von Anfang an, der Solist wirkte wie ein integraler Teil des Orchesters. Dieses ist ein blitzsauber intonierender Klangkörper, mit dem Abduraimov in konzertierendes Wechselspiel trat trotz der oft äußerst virtuosen Anforderungen seines Parts. Einverständliche Gestalten war seine Devise anstelle von Virtuosenallüren. Das brillante Wechselspiel zwischen Klavier, Flöten und Klarinetten im 2. Satz wurde für Skeptiker des russisch-schwelgerischen Tones zu einem eindrucksvollen Erlebnis. Im Schlusssatz konnte sich Abduraimow dann austoben an den virtuosen Läufen des Beginns und dem effektvollen Aufgipfeln der pianistischen Schwierigkeiten im Schlussteil. Auch sieben Jahre später wurde er für sein Spiel begeistert gefeiert. 

Franz Schuberts Symphonie Nr. 9 C-dur hat schon von Anfang an Ausführende und Zuhörer gespalten; beiden Gruppen war sie zu lang. Berühmt etwa Schumanns Äußerung über die "himmlische Länge der Symphonie". Wer sich davor gefürchtet hatte, erhielt von den jungen russisch-deutschen Instrumentalisten eine Version präsentiert, bei der sich jugendliche Frische, ja Übermut immer wieder Bahn brechen konnten: Im Scherzo durfte das Blech zum Abschluss auch mal richtig brüllen, der Finalsatz wurde von strahlendem Bläserjubel eingeleitet und abgeschlossen. Alexander Sladkovsky bremste, beschwichtigte, lächelte bestätigend zu wunderschönen Pianostellen im Andante. Ein klarer rhythmischer Unterbau, durchhörbare Präsentation der vielen Themen, beschwingter Übermut, aber auch leise Innigkeit, wie bei der totalen Zurücknahme der Blechbläser im Andante ließen die vielen Stimmungslagen der Symphonie sehr greifbar werden, konnten Spaß machen. Wer C-dur-selige Erbauung suchte, war vielleicht irritiert von der zupackenden Art der Interpretation, wer die "himmlischen Längen" gefürchtet hatte, hatte viel Freude an dem farbigen und abwechslungsreichen Musizieren.

Source: https://www.mainpost.de/regional/bad-kissingen/man-darf-von-schubert-auch-mal-irritiert-sein;art433641,9993007?mobileVersion=no

Manchmal dauert es länger: Als der 20-jährige Behzod Abduraimow den Kissinger KlavierOlymp 2010 gewann, wäre sein Preis ein Konzert beim Kissinger Sommer 2011 gewesen. Er konnte sich den Flug zum Festival nicht leisten, weil er in USA studierte. Jetzt ist er hier angekommen, spielt in den Konzerthäusern Europas. Und er hat einen berühmten Mentor, Valery Gergiev, seit 2015 Chefdirigent der Münchner Philharmoniker ; seit 1996 Intendant des Mariinsky-Theaters in St. Petersburg. 2013 gründete der die Russisch-deutsche Orchesterakademie für junge Musiker aus beiden Ländern, die sich 2017 beim Kissinger Sommer vorstellten. In diesem Jahr sollte das Große Orchester der Akademie unter Gergievs Leitung im Max-Littmann-Saal spielen; doch musste er das Dirigat an den mit der Arbeit der Akademie vertrauten Alexander Sladkowsky abgeben. Gergievs berühmter Name hätte den jungen, bestens vorbereiteten und hochmotivierten Elite-Musikern der Akademie trotz "Schicksalsspiel der deutschen Fußballelf" wohl ein volles Haus beschert.
Für den Solopart in Sergei Rachmaninovs 2. Klavierkonzert (c-moll) brachten die jungen Musiker Behzod Abduraimow mit, der so doch noch zu seinem Siegerkonzert im Max-Littmann-Saal kam. Dass er und das Orchester sich gut kennen, zeigte sich von Anfang an, der Solist wirkte wie ein integraler Teil des Orchesters. Dieses ist ein blitzsauber intonierender Klangkörper, mit dem Abduraimov in konzertierendes Wechselspiel trat trotz der oft äußerst virtuosen Anforderungen seines Parts. Einverständliche Gestalten war seine Devise anstelle von Virtuosenallüren. Das brillante Wechselspiel zwischen Klavier, Flöten und Klarinetten im 2. Satz wurde für Skeptiker des russisch-schwelgerischen Tones zu einem eindrucksvollen Erlebnis. Im Schlusssatz konnte sich Abduraimow dann austoben an den virtuosen Läufen des Beginns und dem effektvollen Aufgipfeln der pianistischen Schwierigkeiten im Schlussteil. Auch sieben Jahre später wurde er für sein Spiel begeistert gefeiert. 


Franz Schuberts Symphonie Nr. 9 C-dur hat schon von Anfang an Ausführende und Zuhörer gespalten; beiden Gruppen war sie zu lang. Berühmt etwa Schumanns Äußerung über die "himmlische Länge der Symphonie". Wer sich davor gefürchtet hatte, erhielt von den jungen russisch-deutschen Instrumentalisten eine Version präsentiert, bei der sich jugendliche Frische, ja Übermut immer wieder Bahn brechen konnten: Im Scherzo durfte das Blech zum Abschluss auch mal richtig brüllen, der Finalsatz wurde von strahlendem Bläserjubel eingeleitet und abgeschlossen. Alexander Sladkovsky bremste, beschwichtigte, lächelte bestätigend zu wunderschönen Pianostellen im Andante. Ein klarer rhythmischer Unterbau, durchhörbare Präsentation der vielen Themen, beschwingter Übermut, aber auch leise Innigkeit, wie bei der totalen Zurücknahme der Blechbläser im Andante ließen die vielen Stimmungslagen der Symphonie sehr greifbar werden, konnten Spaß machen. Wer C-dur-selige Erbauung suchte, war vielleicht irritiert von der zupackenden Art der Interpretation, wer die "himmlischen Längen" gefürchtet hatte, hatte viel Freude an dem farbigen und abwechslungsreichen Musizieren.



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